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Kneippsches Immuntraining für Kinder

Ob Wassertreten, Wechselduschen oder Waschungen – Kneipp`schen Anwendungen gibt es auch für Kinder. Schade, dass es nicht so viele “Kneipp-Kitas” gibt, dort lernen Kinder die Grundlagen einer rundum gesunden Lebensweise.

 

Plitsch, platsch, plitsch – eine Gruppe Kita-Kinder stakst im Storchengang durch eine große Wanne. Obwohl das Wasser kalt ist, gibt es kein Gemecker. Im Gegenteil, alle sind eifrig bei der Sache. „Wir machen jeden Tag mit den Kindern eine Wasseranwendung, aber das Wassertreten finden sie besonders toll“, sagt Brigitte Ruff, Leiterin der Kneipp-Kita-Spandau. Für die über 100 Kinder der Kita ist die tägliche Planscherei ein großer Spaß – noch wichtiger ist aber ihr gesundheitlicher Effekt. Kaltes und warmes Wasser wirken als Reiz auf den Organismus. Durch einen Kältereiz ziehen sich die Blutgefäße zusammen. Ist die Kälte vorbei, weiten sie sich wieder und die Durchblutung wird gesteigert. Das trainiert die Blutgefäße, kurbelt die Abwehrkraft an und beugt Erkältungen vor. Der Körper kann sich besser gegen Bakterien und Viren verteidigen.

Erfunden hat dieses Immuntraining der Allgäuer Pfarrer Sebastian Kneipp (1821-1897). Als Student erkrankte er schwer an Tuberkulose und las zufällig ein Buch über Wasserkuren. Er startete einen Selbstversuch, stieg todkrank mitten im Winter in die Donau. Die eiskalten Bäder kurbelten seine Abwehrkräfte an: Kneipp wurde gesund. In einen Fluss müssen Kneippianer allerdings nicht springen, um sich abzuhärten. Der weltbekannte Pfarrer aus Bad Wörishofen entwickelte rund 100 Anwendungen – von Wickeln und Waschungen über Wechselduschen, Fußbäder und Armgüsse bis hin zum Schneelaufen.

 

Auch für Warmduscher

Selbst wenn der gestrenge Herr Kneipp auf überlieferten Fotografien immer etwas grimmig dreinschaut, geht es bei den Kneipp-Knirpsen in Spandau durchwegs vergnügt zu. „Gesundheit muss Spaß machen“ lautet das Motto der Kita, die seit 2002 ein vom Kneipp-Bund anerkannter „Kneipp-Gesundheitskindergarten“ ist. In Deutschland gibt es bislang etwa 220 solcher Kneipp-Kindergärten, für die Erzieherinnen eine spezielle Ausbildung absolvieren müssen. Denn es gibt einiges zu beachten. Die Kneipp`sche Gesundheitslehre hat nichts mit drakonischer Abhärtung zu tun, sondern zielt darauf ab, Körper und Seele gut zu tun. Ein kühler Guss soll zwar erfrischend wirken, aber weder Frieren noch Frösteln hervorrufen. „Kein kaltes Wasser auf einen kalten Körper, das ist ein wichtiges Prinzip beim Kneippen“, erklärt Brigitte Ruff. Weil ein Kältereiz nur auf warmer Haut erfolgen darf, kommen kalte Kinderfüße vor dem Wassertreten in ein warmes Fußbad. Die zweite Regel bei Kneipp: Abtrocknen hinterher gibt’s nicht, denn der Körper soll sich durch Bewegung selbst wieder erwärmen. Daher streifen sich die Kneipp-Zwerge nach dem Wassertreten die Beine mit den Händen ab, ziehen dicke Socken an und hüpfen im warmen Badezimmer zu „Pferdchen lauf Galopp“, so lange, bis die Füße trocken sind.

 

Heilkräuter, Ernährung und Entspannung gehören dazu

Eine naturnahe und ganzheitliche Lebensweise will man den Kindern in der Kneipp-Kita-Spandau vermitteln. Denn die Lehre Kneipps ruht neben der Wassertherapie auf vier weiteren Säulen: ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung, Heilkräuter und ein harmonischer Lebensrhythmus. In der Spandauer Kita gehört das alles – kindgerecht und spielerisch umgesetzt – zum Alltag. Die Kinder spielen bei Wind und Wetter draußen und in der Kita-Küche wird täglich frisch gekocht. Beim Yoga oder in der Sauna können sich die Kleinen entspannen. Wenn Erzieherin Rita Meyer zur Kräuterhexe Calendula mit dem spitzen Hut mutiert, helfen die Kinder mit Begeisterung, im Kräutergarten Pfefferminze oder Thymian zu ernten. Und trinken hinterher gerne frisch aufgebrühten Thymiantee, der gegen Husten hilft. Allerdings: Kinder, die schon länger nach Kneipp trainieren, brauchen den Hustentrunk eher selten. „Sind die Kinder ein bis zwei Jahre bei uns, kommt es kaum vor, dass sie wegen einer starken Erkältung zu Hause bleiben müssen“, sagt Brigitte Ruff. Kinder, die regelmäßig kneippen, hätten im Durchschnitt 30 Prozent weniger Erkältungskrankheiten. Erfahrungswerte, die auch durch Studien wissenschaftlich untermauert wurden. Die Eltern der Kneipp-Knirpse sind jetzt schon überzeugt: Für einen Kita-Platz in Spandau nehmen viele einen weiten Anfahrtsweg in Kauf.

 

Kneippen im heimischen Badezimmer

Kneippen geht aber auch zu Hause. „Die Wasseranwendungen kann man prima in den Alltag einbauen“, sagt Joachim Bohmhammel, Osteopath und medizinischer Bademeister aus Bad Wörishofen. „Wenn die Kinder abends sowieso in der Wanne sitzen, kann man zum Schluss die Beine mit kaltem Wasser abbrausen.“ Der kalte Guss am Bein trainiert nicht nur das Immunsystem, sondern hilft Kindern auch beim Einschlafen. Selbst mit Babys kann man kneippen, allerdings ganz sanft. Bohmhammels Tipp für unruhige Baby-Gemüter: Einen Leinenlappen in kaltes Wasser tauchen und nicht auswringen. Das Baby aus der warmen Wanne holen und die Beine mit dem kalten Lappen abwaschen. Die kalte Waschung am Unterkörper beruhigt. Allerdings braucht man bei Kneipp Geduld und einen langen Atem: Sechs Wochen dauert es mindestens, bis sich erste Erfolge zeigen. Wichtig dabei ist, die Anwendungen regelmäßig zu machen, am besten jeden Tag, mindestens aber dreimal pro Woche. „Aber Kinder machen das mit, sie haben einen Heidenspaß an der Sache“, sagt Bohmhammel, selbst Vater eines Jungen.

Was Kneipp vor 150 Jahren empfohlen hat, deckt sich mit dem, was Kinderärzte und Ernährungswissenschaftler heute predigen: viel Bewegung an der frischen Luft, eine ausgewogene Ernährung und Ruheoasen im manchmal hektischen Alltag – so sieht ein gesundes Kinderleben aus. Kneipp hat das schon damals gewusst!

 

Wassertreten

So wird’s gemacht: Eine rutschfeste Badewanne oder einen Bottich mit kaltem Wasser etwa bis zum Knie füllen. Die Füße müssen warm sein. Im Storchengang (die Beine ganz aus dem Wasser herausheben) langsam durchs Wasser waten (2 bis 4 Minuten, je nach Wassertemperatur). Wasser abstreifen, warme Strümpfe anziehen, bewegen oder warm eingepackt ins Bett legen.

So wirkt es: beugt Infekten vor, regt den Stoffwechsel an, fördert abends das Einschlafen

 

Wechsel-Fußbad

So wird’s gemacht: Zwei Fußbadewannen warm (36 bis 38 Grad) und kalt (16 bis 18 Grad) befüllen. Die Füße erst fünf Minuten in warmes Wasser stellen, dann fünf bis zehn Sekunden in kaltes. Danach gleich wieder ins warme Wasser tauchen. Diesen Wechsel zweimal wiederholen. Die Füße abstreifen, warme Strümpfe anziehen, bewegen oder warm eingepackt ins Bett legen.

So wirkt es: beugt Infekten vor, trainiert die Gefäße, steigert die Durchblutung im Nasen-Rachen-Raum