Affenpocken
„Alte“ Pockenimpfung mit gewissem Schutz
Ganz erklären kann man sich laut Rothe den aktuellen Ausbruch derzeit noch nicht. Als Erregerreservoir scheinen, anders als die Bezeichnung „Affenpocken“ nahelegt, vor allem Nagetiere eine Rolle zu spielen, Affen gelten als Fehlwirte. Mittlerweile spricht vieles dafür, dass es zu einer veränderten Übertragbarkeit gekommen ist, die die Transmission von Mensch zu Mensch begünstigt. In Afrika seien die Affenpocken gerade „im Kommen“, so Tropenmedizinerin Rothe. Das liege wohl auch daran, „dass dort eine junge und ungeimpfte Bevölkerung nachwächst“. Eine Pockenimpfung, wie sie früher auch in Deutschland durchgeführt wurde, scheint einen Kreuzschutz zu bewirken. Eine in Europa zugelassene Vakzine speziell gegen Affenpocken existiert derzeit nicht. Zum Einsatz kommen könnte jedoch der bereits in den USA zugelassene Impfstoff „Imvanex“, der mit deutlich weniger Nebenwirkungen verbunden ist als die frühere Pockenimpfung. Dabei würde es sich um eine Off-label-Impfung handeln.
Juckende Bläschen an Haut und Schleimhäuten
Nach Rothe geht man derzeit von einer Ansteckung bei engem körperlichen Kontakt aus, möglicherweise in Form einer Schmier- oder auch einer Tröpfcheninfektion. Soweit man es schon jetzt sagen könne, seien zu einem Großteil MSM betroffen, also Männer, die Sex mit Männern haben. An klinischen Symptomen treten Fieber, Kopf- und Halsschmerzen, Husten, Lymphknotenschwellungen und Vesikel an Haut und Schleimhäuten auf. Die Bläschen ähneln morphologisch eher den Pocken als den Windpocken, ohne den für Letztere charakteristischen „Sternenhimmel“. Sie lösen Juckreiz aus, teilweise wohl auch Schmerzen, und heilen unter Narbenbildung ab. Die Inkubationszeit beträgt zwischen 5 und 21 Tage, die Erkrankung gilt im Normalfall als selbstlimitierend.
Erhöhte Wachsamkeit im HIV-Bereich!
Bei Fällen in Nigeria habe man „mitunter sehr ausgeprägten Schleimhautbefall“ gesehen, berichtete Rothe, „sowohl genital als auch oral“. Welche Rolle eine Immunsuppression, konkret eine Infektion mit HIV, bei der Erkrankung spiele, werde man noch lernen müssen. Die Infektiologin rief vor allem Kollegen, die im HIV-Bereich arbeiten, zu verstärkter Wachsamkeit auf: „Ich möchte Sie alle darauf aufmerksam machen, dass da noch mehr kommt.“
Lauterbach: Prophylaktisch Impfstoff bestellt
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigte auf einer Pressekonferenz am Dienstag an, „hart und schnell“ auf den Ausbruch zu reagieren. Damit habe man „noch sehr gute Chancen, diesen Erreger zu stoppen“. Zusammen mit RKI-Chef Lothar Wieler stellte Lauterbach die aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts zur Eindämmung der Affenpocken vor. Demnach wird im Fall einer diagnostizierten Erkrankung zur Isolation bis zum Abfallen der Krusten, mindestens aber über 21 Tage geraten. Personen mit engem Kontakt zu Infizierten sollten sich ebenfalls für 21 Tage in Quarantäne begeben.
Eine Impfung der Allgemeinbevölkerung sei derzeit nicht im Gespräch, so Lauterbach. Das Risiko werde vom Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) allgemein als gering eingeschätzt, für Personen mit mehreren Sexualpartnern dagegen als moderat. Man wolle daher auf eine mögliche Ringimpfung vorbereitet sein, sagte der Gesundheitsminister, d. h. die Impfung von Kontaktpersonen rund um Infizierte. Für Deutschland hat das Gesundheitsministerium prophylaktisch bereits den Impfstoff „Imvanex“ bestellt. Dieser basiert auf einer modifizierten Form des Vacciniavirus „Ankara“. Eine Reserve von bis zu 40.000 Dosen könnte nach Lauterbach in Kürze geliefert werden.
Basierend auf: Vortrag von C. Rothe,Infektio Update, 20./21. Mai 2022, Mainz/online; aktualisiert um 15:45 Uhr am 24.05.2022